Sehen Sie die Geschichte von Nico Peeters in 6 Minuten

Der Widerstandskämpfer Nico Peeters ist 47 Jahre alt als der Krieg beginnt. Ab Mai 1940 ist er aktiv im Widerstand und Mitherausgeber des Widerstandsorgans De Waarheid [Die Wahrheit]. Schon ziemlich früh, nämlich im Februar 1942, wird Nico verhaftet und in das ‘Oranjehotel’ in Scheveningen, ganz nahe seinem Zuhause, gebracht. Von dort aus beginnt eine Odyssee durch verschiedene Lager in den Niederlanden. Letztendlich landet er im KZ Dachau, wo er Ende Februar an Typhus stirbt. Kurz vor seinem Tod gibt es keine Kommunikation mehr, während er vorher viele Briefe aus den Lagern schrieb.

het gezin Peeters

Bertha, Tonny, Nico, Roos

Nico Peeters ist bei Ausbruch des Krieges ein 47-jähriger Mann. Er ist Ehemann von Bertha (43) und Vater der Töchter Roos (19) und Tonny (17). Nico entstammt einer katholischen Familie, aber er hat sich für den Humanismus und Pazifismus entschieden. So unterstützt er Kriegsdienstverweigerer, und beschäftigt der spanische Bürgerkrieg ihn sehr. Die Familie hat sogar einige Jahre in Den Haag in einer Kommune gelebt, die auf den Ideen des Reformpädagogen Kees Boeke gegründet war.

Widerstand

Jetzt wohnen sie als liebevolle, lebendige Familie in der Goudenregenstraat in Den Haag. Nico hat mit seinem Bruder Ben eine kleine Zigarrenfabrik namens Revivo, zu der zwei Zigarrengeschäfte gehören. Seine Frau Bertha vermietet Zimmer. Diese Pension bildet schon bald einen perfekten Deckmantel als Versteck für Untergetauchte.

Nico ist selber kein Mitglied der kommunistischen Partei. Er beteiligt sich aber dennoch bei der Herstellung von illegalen Flugblättern und der Zeitung der Widerstandsbewegung ‘De Waarheid’.

Zu Hause wird nicht über die Arbeit im Widerstand gesprochen, das ist zu gefährlich. Die Töchter Roos und Tonny bringen jedoch manchmal geheime Päckchen für Vater Nico weg. Und dass es Untergetauchte gibt, begreifen sie sehr wohl. Aber so lange jeder aufpasst, kann doch nichts schief gehen?

Bis in den frühen Morgenstunden des 2. Februar 1942 die SD vor der Tür steht.

Das Oranjehotel

Es ist eisig kalt und es liegt ein Haufen Schnee. Bei einem brutalen Verhör hat ein Mitkämpfer aus dem Widerstand Nicos Namen genannt. Der SD verhaftet Nico Peeters und sperrt ihn ein im Gefängnis in Scheveningen, das im Volksmund das Oranjehotel genannt wird.

Nico darf von Zeit zu Zeit einen zensierten Brief nach Hause schreiben. Schlauerweise weiß er trotzdem öfters Kontakt herzustellen. Alle zwei Wochen bringt Tonny ihrem Vater frische Wäsche. In der Kleidung verstecken sie kleine Briefe.

Nico 19420305 Scheveningen 0

Am 5. März, einen guten Monat nach seiner Verhaftung, darf Nico seinen ersten offiziellen Brief nach Hause schicken.
5. März 1942

Liebe Bertha, Roos und Tonnie, mir geht es den Umständen entsprechend gut. Wie hat es uns doch plötzlich überfallen, als ich so weggeholt wurde. Alles war auf einmal durcheinander, ich konnte es mir zunächst nicht gut realisieren. Aber jetzt bin ich darüber hinweg. Aber jetzt wird die Sehnsucht immer stärker, wieder bei euch zu sein in unserer Umgebung und unsere Sorgen und Freuden zusammen zu überblicken und zu erleben. (…)

Lager Amersfoort

Am 17. Juli 1942 wird Nico Peeters in das berüchtigte Lager Amersfoort verlegt. In Amersfoort müssen die Häftlinge jene Arbeit leisten, die ihrem Beruf entspricht. Nico muss also Zigarren machen. Besuch ist nicht erlaubt. Er darf einmal im Monat einen Brief schreiben. Er darf Pakete und Geld erhalten, aber keine Fotos. Nico wird seine Frau und Kinder erst nach seiner nächsten Versetzung wieder sehen. Das dauert also noch ein dreiviertel Jahr.

Nico 19420901 Amersfoort 0

1. September 1942

Liebe Frau und Kinder, Euren Brief vom 6. Aug. habe ich in guter Gesundheit erhalten. Meinen Nerven geht es immer besser, ich habe aber andere kleine Beschwerden, die es manchmal geben kann, gehabt. Kaputte Füße und eitrige Hände, Hämorrhoiden usw. Die ganze Atmosphäre ist anders als in Scheveningen und dadurch geht es mir auch anders. (…)

Haaren

Im Frühjahr 1943 wird Nico Peeters aus dem strapaziösen Lager Amersfoort nach Haaren versetzt. Hier muss er in der Küche arbeiten. Die Verhältnisse in Haaren sind besser als in Amersfoort, wo Hunger leiden normal ist. Nico bekommt jetzt besser zu essen und nimmt sogar wieder ein paar Kilo zu. So schreibt er:

“Mir geht es immer noch gut, alles ist hier wie gewünscht, meiner Gesundheit geht es ausgezeichnet, ich habe wenig Nerven- und Herzbeschwerden mehr. Ich bin schwerer geworden, sogar so, wie ich noch nie gewesen bin (74 kg).
Ich esse auch so enorm, dass ich mich manchmal schäme für meinen Appetit. Du würdest staunen, wenn du mich sehen würdest.”

Und: “Wie froh und glücklich bin ich mit den Portraits meiner Töchter.”

1940 12 05 Tonny en Roos

Tonny und Roos

Nico 19430404 Den Haag Tonny 0

Im Lager Haaren ist viel wechselseitiger Kontakt möglich. Dies ist ein Brief von Tonny an ihren Vater, den er aus dem Lager hat schmuggeln lassen, damit dieser bewahrt bleiben würde.
4. April 1943

Lieber dicker Schatz! Engel, was fand ich es fantastisch, dass ich dir wieder einmal einen Kuss geben konnte und dich mit eigenen Augen anschauen konnte. Schmatzendes Küssen hast du immer noch nicht verlernt, wie ist es möglich.(…) Mams und ich sitzen jetzt ganz gemütlich zusammen am Tisch, um dir zu schreiben. Auch zufällig, als wir abends nach Hause kamen, lag dort gerade ein Brief von dir mit schön viel Text. (…) Hast du nicht komisch geschaut, als du gehört hast, dass Besuch für dich da ist? Wir haben uns so gefreut, du hast dich schon verändert mit dieser Frisur. Dickerchen, wirklich, sie steht dir ausgezeichnet. (…) Warte erst einmal ab, bis dieser verdammte Krieg vorbei ist, was wird das ein Fest sein, wenn geklingelt wird und du die Treppe hoch gerannt kommst. (…) Tschüs lieber Schatz, ein ganzes Regiment von Schmatzküssen von schwerem Kaliber und alles Liebe von deinem Töchterchen Tonny

Lager Vught

Am 20. August 1943 hört die relativ gute Zeit von Nico Peeters in Haaren auf. Er muss ins Lager Vught und arbeitet in der Philips-Abteilung des Lagers. Er darf seiner Familie sofort einen Brief schicken, aber die Vorschriften sind hier viel strenger.

Nico 19430821 Vught binnen

21. August 1943

Wie du siehst, bin ich nicht mehr dort, wo ich einige Monate gewesen bin. (…) In diesem Brief wirst du wohl lesen, woran du dich zu halten hast. Du darfst mir Pakete und Geld schicken. Lebensmittel, die du entbehren kannst. Gerne hätte ich Marmeladen dabei und ein wenig zum Rauchen. Du wirst wohl merken, dass ich kein Foto haben darf und dass ihr alle in einem Brief schreiben müsst. Verhindert soviel wie möglich, dass andere mir schreiben, denn das würde euch benachteiligen beim Senden der für mich wichtigen Neuigkeiten und Liebesbezeigungen. Auch hätte ich gerne ein Handtuch

Dieser Brief von Nico an seine Familie endet hier abrupt; im nächsten Brief schreibt er:

Du wirst wohl merken, dass der Inhalt kürzer gewesen ist und nicht richtig beendet war.

Nico Peeters sitzt jetzt schon gut zwei Jahre in den Niederlanden im Gefängnis. Aber dann wird er am 24. Mai 1944 dennoch wieder versetzt. Jetzt muss er doch noch nach Deutschland ins gefürchtete Lager Dachau.

Dachau

Er muss im Außenlager Kottern arbeiten, in einer Flugzeugfabrik von Messerschmitt. Die Briefe nach Hause müssen in Deutsch geschrieben werden und werden streng zensiert. Niemand darf durchblicken lassen, wie schrecklich die Verhältnisse in Dachau und den Außenlagern wirklich sind.

Brief vom 2. Juli 1944 aus dem Arbeitslager Kottern bei Dachau. Der Brief ist nicht von Nico selber geschrieben worden. Das geht nicht nur aus der Handschrift hervor, sondern auch aus der Wortwahl und dem Tenor. Die Zensur verwendet chemische Mittel zur Prüfung, ob es verborgene Texte gibt. Daher die blauen Streifen.
Nico 19440702 Dachau buiten
Dachau 3K, den 2. Juli 1944

Ich bin jetzt in einem Außenkommando und eventuelle Pakete dürft Ihr direkt nach hier schicken (…) Wir sind hier in einer wunderschönen bergigen Umgebung mit dauernd wechselnden Lüften und Ausblicken. Ich bin sehr viel an der frischen Luft. (…) Diesen Brief hat mir ein Kamerad geschrieben. An der Unterschrift werdet Ihr ja meine Hand erkennen.

Im Frühjahr 1945 erwartet jeder, dass der Krieg bald vorbei ist. Seine Familie hofft, dass Nico dann wieder nach Hause kommt. Auf Grund seiner Briefe geht es ihm dort doch gut – auch wenn sein letzter Brief von September ist, was doch schon länger her ist. Dann bekommen sie die Nachricht, dass Nico schon einige Monate tot ist. Wahrscheinlich ist er am 21. Februar 1945, zwei Monate vor der Befreiung des Lagers, an Flecktyphus gestorben.

© Fotos und Briefe: Privatarchiv Tonny Geelhoed-Peeters


In der Ausstellung wird die Geschichte von Nico Peeters erzählt von Ad van Liempt (Journalist, Schriftsteller, TV-Programmmacher) und Tonny Geelhoed-Peeters, Nicos Tochter.

Szenario und Richtung: Alex Bakker
Kamera: Bernd Wouthuysen
Editing audiovisuell: Erik Willems, JOB Producties
Produktionsmanagement: Mirjam Huffener
Standortaufnahme mit Ad van Liempt: Liberaal Joodse Gemeente in Amsterdam, August 2015