‘Warum schreibst du mir nicht’ ist eine Wanderausstellung, die sich sowohl an Jugendliche als auch an Erwachsene richtet und die in Museen, Schulen und Bibliotheken zu sehen sein wird. Es werden einzigartige Poststücke, Briefe und Briefmarken (Repliken) gezeigt als historische Spuren aus dem Netzwerk von Vernichtung. Versendet aus fremden Orten, von denen die Empfänger oft noch nie gehört hatten, und die jetzt bekannt sind als Namen des Unheils: Auschwitz, Dachau, Theresienstadt.
Zensur, Irreführung, Kommunikation
Die Ausstellung zeigt, was es für Menschen bedeutet, wenn sie nicht mehr mit ihren Verwandten oder Freunden kommunizieren können. In vielen Briefen und Karten fragen Opfer verzweifelt “Warum bekomme ich nie Antwort?”, “Warum schreibst Du mir nicht zurück?” Die Post kam manchmal nicht durch die Zensur, oder es dauerte so lange bis sie ankam, dass der Absender dann bereits ermordet worden war. Menschen werden in Ghettos und Lagern auf ‘Nummern’ reduziert. Sie verloren ihre Identität und ihre Privatsphäre.
Vier Geschichtslinien
In der Ausstellung stehen die Geschichten von fünf Opfern zentral: Wanda Verduin, Jules Schelvis, Nico Peeters und Wolfgang Maas & Thea Windmuller – ein jüdisches Mädchen in der Pubertät, ein jüdischer junger Mann, ein Mann im Widerstand und ein verliebtes Pärchen. Von allen Lagern und Ghettos, in die die Hauptpersonen kommen, werden Poststücke gezeigt. Die vier Geschichten sind die ‘roten Fäden“ durch die Ausstellung.
Wolfgang Maas ist sechzehn Jahre alt, als er 1936 aus Deutschland nach Winterswijk in den Niederlanden flüchtet. Hier macht er eine Ausbildung als Maler und lernt Thea Windmuller kennen. Sie lieben sich, aber es sind dunkle Zeiten. Die anti-jüdischen Maßnahmen stapeln sich. Als immer mehr Juden verhaftet werden, tauchen Thea und Wolfgang unter, weit von einander entfernt. Ab dem Zeitpunkt besteht ihr Leben aus Fliehen vor den Nazis. Aber sie werden verhaftet und nach Auschwitz deportiert.
Wanda Verduin ist ein ganz normales junges Mädchen als der Krieg beginnt. Ihre Briefe und ihr Tagebuch zeigen, wie der Krieg und die zahllosen anti-jüdischen Maßnahmen in ihr Leben und das ihrer Verwandten eingreifen. Von einem Teenager, der immer verliebt ist in einen Jungen wandelt sie sich in eine depressive, ängstliche und zu jung erwachsene Frau. Sie stirbt in Auschwitz.
Die dritte Geschichte ist die von Jules Schelvis. Jules und seine Frau kommen über Westerbork nach Sobibor. Hier schließt sich Jules einer Gruppe ‘Arbeitsjuden’ an, und anschließend kommt er in viele Arbeitslager und Ghettos. Er schafft es, einen Brief zu verschicken an eine nicht-jüdische Tante in Amsterdam, in dem er, der Zensur wegen, durch die Blume zu erzählen versucht, dass die anderen tot sind.
Die vierte Hauptperson ist Nico Peeters, ein damals 50-jähriger Mann des Widerstands. Ein leidenschaftlicher, idealistischer Mann, ein Kriegsdienstverweigerer. Ab Mai 1940 ist er aktiv im Widerstand und Mitarbeiter der Widerstandszeitung De Waarheid [Die Wahrheit, Anm. d. Ü.] Er kommt letztendlich nach Dachau, wo er Ende Februar 1945 an Typhus stirbt. Zum Zeitpunkt seines Todes gibt es keine Kommunikation mehr, davor hat er viele Briefe aus den Lagern geschrieben.
Erzähler
Es werden vier kurze Filme gezeigt: über Wanda, Nico, Jules und über Wolfgang und Thea. Pro Film gibt es zwei Erzähler. Hauptperson Jules Schelvis reflektiert seine eigene Post, abgewechselt von der Interpretation der Journalistin Natascha van Weezel. Ernst Verduin, der Bruder von Wanda, und Sängerin Karsu lesen Briefe von Wanda und fragen sich, was sie wirklich sagen wollte. Nicos Tochter Tonny Peeters und Journalist Ad van Liempt zeigen, wie Nicos Kommunikation durch die Zensur zugrunde geht. (Durchschnittslänge der Filme: 6 Minuten.) Schauspieler Rauand Taleb liest vor aus den Briefen und Tagebüchern von Wolfgang und Thea und reflektiert über seine eigene Geschichte als Flüchtling (Länge: 9 Minuten).
Die Erzähler nehmen das Publikum an die Hand und geben ihre persönliche Interpretation der Geschichten.
Aktualität
Über die Themen ‘Kommunikation’, ‘Identität’ und ‘Privates’, ‘fliehen und untertauchen’ nimmt die Ausstellung Bezug auf die Gegenwart. Auch jetzt ist die Welt nicht frei von Krieg und Zensur und sind viele Menschen inhaftiert wegen ihrer Herkunft, ihren Meinungen oder Vorlieben. Es geht um ein schweres Thema. Wir versuchen, eine Perspektive zu geben. Die Schülerinnen und Schüler werden eingeladen, um über Amnesty International eine persönliche Nachricht an einen Menschenrechtsaktivisten oder einen (Gewissens)Häftling zu schicken. Sie finden die Informationen auf der Webseite oder in der Stimmkabine am Ende der Ausstellung.
Wahllokal
Auch fordern die Erzähler der Ausstellung sie über ein interaktives Modul in der Stimmkabine heraus, über aktuelle Dilemmas nachzudenken: Privates im Internet, fliehen, Freiheit von Meinungsäußerung, Kommunikation und Cybermobbing. Siehe www.pudv.nl/wahllokal/?lang=de